Eine Mahnung

Grimme-Direktor zur aktuellen Debatte um 3sat

Foto von Peter Wenzel

Zur aktuellen Debatte um den Sender 3sat positioniert sich Grimme-Direktor Peter Wenzel:

„Mit Sorge schaue ich auf die Absicht, diesen eigenständigen Ort für Kultur und Bildung im Fernsehprogramm aufzugeben. Wir können aus der Sicht von Grimme und in der Tradition von Bert Donnepp nicht anders, als hier deutlich zu mahnen.“

Sieben Preise in den vergangenen Jahren – das sei die Bilanz von 3sat beim Grimme-Preis allein seit 2020. Ein Grimme-Preis für einen Dokumentarfilm, der sich mit der Diskriminierung von Sinti und Roma auseinandersetzt („Unrecht und Widerstand – Romani Rose und die Bürgerrechtsbewegung“, strandfilm/Navigator Film), einer für einen Dokumentarfilm, der verständlich erklärt, wie Geldkreisläufe funktionieren („Oeconomia“, Petrolio Film), ein weiterer für einen Dokumentarfilm über ein ganzes System von Steuerhinterziehenden in der Schweiz („Der Ast auf dem ich sitze“, Bildersturm Filmproduktion) und einer im Jahr 2020 für einen Dokumentarfilm, der die Umweltverbrechen des 21. Jahrhunderts am Beispiel der kanadischen Ölgewinnung thematisiert („Dark Eden“, Made in Germany Filmproduktion). 

Darüber hinaus gab es weitere Preise für anspruchsvolles Kabarettprogramm („Bosetti Late Night“, „Noch nicht Schicht“) und Dokumentarisches für ein junges Publikum („Ab 18! Die Tochter von…“), eine Nachwuchsförderreihe, die bereits mehrfach prämiert wurde, ein Solitär im deutschsprachigen Fernsehen. Im gleichen Zeitraum entfielen auf 3sat insgesamt 22 Nominierungen.

Trotz der Kritik, die in den vergangenen Tagen auch – bei aller Unterstützung – am Programm von 3sat geäußert wurde („Abspielstation für alte Naturdokus“), bietet der kleine Kultursender eine Heimat für ein Genre, das sonst nirgendwo mehr eine hat: den langen, künstlerischen Dokumentarfilm, der sich mit den Themen befasst, die, das sieht man an den genannten Beispielen, aktuell und relevant sind. 

Mit einer Einstellung von 3sat würde ein Refugium für den Autor*innen-Dokumentarfilm verschwinden. Das wäre ein zusätzliches Signal für die Produzent*innenbranche, weil dieses Genre in anderen Sendern praktisch nicht mehr stattfindet. Hier ist die berechtigte Frage nach dem Kernauftrag des ÖRR zu stellen.

Dokumentarfilme liefern die Möglichkeit, dem Publikum Zusammenhänge anschaulich und begreifbar zu machen. Sie liefern die Kontextualisierung von Informationen, liefern Hintergründe, auf die der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Zeiten, in denen seine Legitimation zur Debatte steht, nicht verzichten kann. 

„Zugang zu Kultur und Informationen sind die Eckpfeiler einer demokratischen Gesellschaft. Diesen zu gewährleisten, ist Aufgabe des Staats und Aufgabe des ÖRR. Diese Programmsäulen dürfen nicht geschwächt werden. Und das werden sie, wenn sie an Sichtbarkeit verlieren.“ 

Der Grimme-Preis und das Grimme-Institut haben ihren historischen Ursprung in der selbstgewählten Aufgabe, das Fernsehen als Mittel der demokratischen Teilhabe zu begleiten. Bert Donnepp schrieb 1971 über den Adolf-Grimme-Preis, dass dieser ein Fernsehwettbewerb sei, der kein Preis, sondern eine ständige Auseinandersetzung mit dem Fernsehen sein will. 

Eine Voraussetzung für gelingende Teilhabe ist, dass ein (im Idealfall) annähernd vollständiger oder zumindest vielfältiger Blick auf Gesellschaft ermöglicht wird. Peter Wenzel schließt:

„Dies durch eine Reduzierung des Angebots einzuschränken, halten wir – gerade jetzt – für eine Schwächung.“