„Wir haben bei der Bundestagswahl soziale Medien erlebt, in einer Weise, wie vielleicht noch nie zuvor. Sie haben Informationen vermittelt, aber sie sind auch genutzt worden von Populisten für Ressentiments, für Fake News, für Hass“, sagte Armin Laschet, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen in seinem Videogrußwort zur Eröffnung des Social Community Day im Kölner KOMED. „Dabei“, so fuhr er fort, „bieten diese Medien eigentlich hervorragende Möglichkeiten für die demokratische Kultur“. Um eine ganze Reihe dieser Möglichkeiten kennenzulernen, sind am 18. Oktober rund 150 Teilnehmer zum achten SCD ins Kölner KOMED gekommen. Sie trafen auf Menschen, die Nachrichten im Chat-Format oder in kuratierter Form anbieten, auf solche, die Populisten mit Humor entwaffnen wollen, auf die, die Lügen entlarven, oder die, die sich daran begeben, allen Menschen die gesellschaftliche Diskussion zu ermöglichen.
„Wir machen es uns zu leicht, wenn wir die Verantwortung für unsere Demokratie, für den Zustand unserer Gesellschaft, ausschließlich der Politik oder staatlichen Instanzen zuschreiben“, so die Direktorin des Grimme-Instituts, Dr. Frauke Gerlach, in ihrer Begrüßung. „Wir müssen uns informieren und dort einmischen, wo es geht. Unsere Gäste werden uns heute hervorragende Beispiele dafür vorstellen, wie wir dies tun können.“
Auch die aktuelle Ausgabe des SCD fand wieder in Kooperation mit dem Grimme Online Award statt. Und so waren es Nominierte, Preisträgerinnen und Preisträger des #GOA17, die ihre Ideen und ihre Projekte vorstellten und bürgerschaftliches Engagement mit dem Publikum diskutierten.
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Panel eins: „Information für alle“
Nach einen Input von Daniel Kraft von der Bundeszentrale für politische Bildung ging es im ersten Panel um „Information für alle“ – immer noch die Grundlage für politisches Handeln in der Demokratie. Frustration über die Ergebnisse der zahlreichen Wahlen und das Aufkommen der Rechtspopulisten war hier nicht zu spüren, eher noch ein „Jetzt erst recht!“, etwa von Julia Lüke, WDR. Marcus von Jordan, piqd, stellt sogar eine erfreuliche „Politisierung der Gesellschaft“ fest, eine gewisse Klärung der Verhältnisse. Dabei ist „Information für alle“ in Anbetracht der immer neuen Angebote im Netz und der verstreuten Zielgruppen schwieriger denn je. Ausnahme ist hier vielleicht die Resi-App, die Nachrichten dialogisch für die mobile Nutzung aufbereitet. Ihr Macher Martin Hoffmann: „Unsere Nutzer sind in der Tat sehr jung, 70 Prozent sind unter 34 und verfügen vielfach über ein niedriges Bildungsniveau.“ Aber sie hätten einige Heavy-User, die über 60 sind, was insgesamt zeige, dass ihr Ansatz „Informationsvermittlung für alle“ biete.
Informationen für alle zugänglich zu machen, ist auch der Ansatz von Stefanie Trzecinski und Victoria Michel. Ihr Angebot „Gebärdengrips“ bietet Wissensinhalte für Kinder in Gebärdensprache. Angeregt durch die Diskussion fasst Stefanie Trzecinski aber gleich einen Vorsatz: „Für die nächste Wahl müssten wir das politische System mal in Gebärdensprache aufzeigen. Das haben wir bislang noch nicht.“ Einen ganz neuen Zugang zu Informationen bietet mittlerweile der Datenjournalismus, der etwa bei der Berliner Morgenpost die Daten buchstäblich zum Sprechen bringt. Marie-Louise Timcke vom Interaktiv-Team der Berliner Morgenpost beschreibt ihre Zielsetzung so: „Wir haben immer das Ziel, dass sowohl Bart Simpson als auch Lisa Simpson alles auf der Seite finden, was sie finden möchten.“ Die Daten sollen also in einfach aufbereiteter Form als auch in einer Langfassung vorliegen - für diejenigen, die mehr wissen wollen.
Panel zwei: „Aktion und Engagement“
Nach einer kurzen Pause ging es um „Aktion und Engagement“ – vor allem im Netz. Sinnvoll oder sinnlos? „Wir müssen weiter machen, AfD und Pegida waren der Anlass, warum es uns gibt“, so Farah Bouamar von den YouTubern „Datteltäter“, und die AfD sitze mittlerweile in diversen Parlamenten. Nicht anders Sandra Meißner von der Initiative #ichbinhier, die sich gegen Hass im Netz engagiert: „Wir hatten uns intern die Bundestagswahl als Fixpunkt gesetzt, um zu sehen, was dann ist. Je näher der Termin rückte, desto klarer wurde uns allerdings, dass wir weitermachen. Der Bedarf ist einfach da.“
Aber lassen sich durch Diskussionen Menschen zum Umdenken bewegen? „Jein“, so Meißner, „gegen einen Bot oder jemand, der stark überzeugt ist, kann man nichts erreichen“, aber der normale „Mitleser“ sei durchaus ansprechbar für ein ziviles Miteinander im Netz. „Diskussionen machen immer Sinn“, glaubt Franzi von Kempis, besser bekannt als YouTuberin „Besorgte Bürgerin“, schockiert habe sie aber, welche Reaktionen beispielsweise ihr Video ausgelöst habe, das sich gegen Gewalt gegen Frauen gerichtet hatte.
Der Satiriker Shahak Shapira bewundert das Engagement im Netz, ist selbst aber sehr demütig: „Meine Arbeit ist nicht darauf angelegt, die Welt zu verändern“, bekennt er. Auch wenn dies von außen oft so interpretiert würde. Klarer als Aktivistin positioniert sich Giulia Silberberger, die mit „Der goldene Aluhut“ gegen Verschwörungstheorien vorgeht. Dazu gehört auch die Recherche in Weltuntergangsgruppen bei Facebook. „Ich bin als Zeugin Jehovas aufgewachsen – ich kenne mich mit dem Weltuntergang aus“, erklärt sie sehr zum Amüsement des Publikums, um dann gleich eine ernste Begebenheit zu erzählen: Eine Frau, die den Plan hatte, sich und ihre Kinder vor einem drohenden Weltuntergang umzubringen, habe sich aufgrund eines langen Kommentars des „goldenen Aluhuts“ umentschieden.
Moderiert wurden die beiden Panels des Vormittags vom Leiter der redaktionellen Digitalstrategie der Rheinischen Post, Daniel Fiene, und in Gebärdensprache übersetzt von Vesna Speier.
Inhaltliche Vertiefung in den nachmittäglichen Workshops
Am Nachmittag werden einige der angerissenen Themen in Workshops vertieft, so etwa bei „Information interaktiv“ mit Marie-Louise Timcke vom Interaktiv-Team der Berliner Morgenpost, bei „#ichbinhier – Engagement durch Rede und Gegenrede“ mit Sandra Meißner und Claudia Caséra, bei „Vielfalt macht unsere Gesellschaft reich“ mit Stefanie Trzecinski und Victoria Michel von Gebärdengrips und – mit einem zusätzlichen Ansatz – bei „Dom 360°“ mit Stefan Domke und David Ohrndorf vom WDR.
Der Social Community Day findet seit 2010 in Köln statt und wird vom Grimme-Institut veranstaltet. Er wird unterstützt von der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen. Er findet im Rahmen der Internet-Impulse Köln 2017 statt. Eine umfassende Dokumentation erstellen Studenten und Studentinnen der DW-Akademie, sie wird umgehend erscheinen unter: www.social-community-day.de